Ästhetik. “Gefällt mir” heißt noch gar nichts.

Ästhetik ist ein schönes Wort, finden Sie nicht? Es klingt nach Anmut, Eleganz und Schöngeistigkeit. Es hat etwas Zeitloses und scheint sich nicht nur mit bloßer Schönheit zufrieden zu geben.

Dennoch packen wir die Bedeutung des Wortes häufig in die Schublade von „Gefällt mir“, „…finde ich schön“ oder noch besser: „Sieht gut aus“. Von der Schönheitschirurgie über Modedesign bis hin zu Innenausstattung – alle berufen sich auf Bewertungen zu Ästhetik und meinen damit Gefallen, Trends und persönlichen Geschmack. Wieso sollten also Entscheidungen, Prozesse, ja ganze Unternehmen ästhetischen Prinzipien folgen. Haben sie nichts Besseres zu tun? Geht es nicht eher darum, dass sie funktionieren müssen? Effizient? Gewinnbringend? Was ist gemeint, wenn es um die so genannte Organisationsästhetik geht?

Zu aller erst: Das Wort Ästhetik hat seinen Ursprung im Altgriechischen und umschreibt das sinnliche Wahrnehmen und Empfinden. Demnach geht es im Kern erstmal gar nicht unmittelbar um “schön” oder “nicht schön”, sondern darum, was der Mensch wahrnimmt. Und damit wird es für Unternehmen interessant. Denn, wenn Zusammenhänge komplex sind, Verantwortlichkeiten undurchsichtig und Strukturen unklar, empfinden Mitarbeiter:innen Unsicherheit, Angst und sind weniger motiviert vorwärts zu gehen. 

Was soll sie also – die Ästhetik – in Unternehmen?

Nun, wenn es ums Wahrnehmen geht, geht es immer auch um sinnliche Impulse, Beziehungen und um Bezugsrahmen. Daher hilft es, sich diese drei Bereiche etwas nachher anzusehen.

Von der Sinnlichkeit des Daily Business
Ein genussvolles Essen, ein inspirierender Theater-Besuch, Rosmarin-Düfte auf der sonnendurchfluteten Terrasse – selbstverständlich assoziieren wir sinnliche Erfahrungen mit eben diesen Bildern. Aber Meetings? Excel-Tabellen? E-Mail-Verteiler? Was bitte soll daran sinnlich sein? Et voilá: Willkommen bei der richtigen Frage. Denn sie impliziert, dass es geht. Dass wir Meetings so gestalten können, dass unsere Sinne berührt werden, dass wir E-Mails formulieren können, die Impulse geben. Dass wir unser Tun aufladen können, um Botschaften und Erwartungen gezielter und effizienter zu vermitteln. Markenstilistik an allen Kontaktpunkten, Storytelling, persönliche Anekdoten, unübliche Formulierungen sorgen dafür, dass der Empfänger prägnanter und konzentrierter erreicht wird, als bei langweiliger Standard-Kommunikation oder gesichtsloser Business-Sprache.

Beziehungen bestehen aus Wechselwirkungen
Der zweite Bereich befasst sich mit dem Miteinander. Da gibt es die Verbindung zwischen Kolleg:innen, die angenehm oder mühsam sein kann. Wir haben die Wechselwirkung zwischen Verantwortlichen und Sachbearbeiter:innen und zwischen Vorgesetzten und Mitarbeiter:innen. Überall sind Sender und Empfänger zu finden und dabei gilt, was Paul Watzlawick formulierte: “Man kann nicht nicht kommunizieren.” Also wie gehen wir miteinander um? Welcher Ton macht die Musik? Welche Kultur herrscht in diesen Beziehungen? Befähigt sie? Bremst sie? Wo sieht man Klarheit und wo herrschen Konflikte? Diese Wechselwirkungen bewusst zu machen, abzubilden und einer Form zu zuordnen ermöglicht erst, dass Entscheider:innen sie verändern können.

Auf die Umgebung kommt es an
All das beschriebene Miteinander bewegt sich in einem Raum. Natürlich sind da die realen wirklichen Räume: Konferenzräume, Büros, Kantinen, das Auto bei Dienstreisen oder das Video-Meeting. Aber Bezugsrahmen gehen weiter. Es geht um die unsichtbaren Formen, Grenzen und Schnittmengen. Wo liegen Verantwortlichkeiten? Wer darf was wann? Wo beginnt Work und wo endet Life und wo befindet sich die Balance? Wer sind meine Kolleg:innen und wer sind Dienstleister:innen? Diese Beziehungen folgen einer Ästhetik und sind damit gestaltbar. Man kann sie verändern, formen und neu aufstellen – wenn man sie sich bewusst macht. Oder anders formuliert: Wenn man sie bewusst wahrnimmt.

Welche ästhetischen Prinzipien helfen dabei? 

Das Bewusstsein für Ästhetik ist geschaffen und nun? Wie geht es weiter? Wie kann eine Organisation sinnlicher wahrnehmbar gestaltet werden? Was wäre es für ein phantastisches Gespräch wenn Immanuel Kant, Joseph Beuys, Paul Watzlawick und Aristoteles dazu diskutieren würden? Wie gern würde ich sie dazu einladen. Bisher hatte ich nur Einzelgespräche mit ihnen und daraus ergeben sich für mich meine ästhetischen Prinzipien:

  1.  Das Prinzip der Konkretisierung: Vage Gedanken konkret formulieren. Nebulöse Bilder aufzeichnen. Ideen über Prototypen greifbar machen.

  2. Das Prinzip der Essenz: So viel wie nötig, so wenig wie möglich. Fokus auf Funktion, Relevanz und Nutzen. 

  3. Prinzip der Passung: Wissen, worin Einzigartigkeit und Eigensinn liegen. Entscheidungen treffen, die der Business-DNA entsprechen.

  4. Das Prinzip der Nachhaltigkeit: Den Blick auf die Folge der Folge richten. Wachsen und Wirken in einer gesunden Geschwindigkeit. Ressourcen wertschätzen und bewusst einsetzen.

  5. Das Prinzip der Konsequenz: Sich festlegen. Verbindlichkeit schaffen. Entscheidungen treffen. 

  6. Das Prinzip der Formgebung: Farben und Formen wählen, die Botschaften übersetzen. Ästhetik-Grundsätze anwenden, um klar zu strukturieren und zu gestalten.

  7. Das Prinzip der Selbstähnlichkeit: Formen und Symmetrien werden wiederholt. Alte Weisheiten neu gedacht und in anderen Bezugsrahmen angewendet.

  8. Das Prinzip der Ganzheitlichkeit: Alles passt zusammen, spricht eine Sprache, zielt auf eine Botschaft ab. Alles vermittelt eine klare Haltung.

  9. Das Prinzip der Neugier: Offenheit für neue Dinge einbringen. Veränderung aushalten. Lust auf Morgen haben.

Diese neun Grundsätze – und davon bin ich überzeugt – helfen dabei Unternehmen zukunftsfähig, einzigartig und resilent zu gestalten. Diese Grundsätze lassen sich mit kreativ- künstlerischen Techniken auf Unternehmen und Prozesse anwenden. Diese Grundsätze ermöglichen eine Ästhetik, die mehr ist als schön.

In den folgenden Beiträgen gehe ich näher auf die einzelnen Prinzipien ein, erweitere sie um meinen Blick auf die Welt und versuche Leser:innen zu verführen bewusster wahrzunehmen, zum Zeichenstift zu greifen und für Klarheit zu sorgen.

Konkrete Unterstützung und Mentoring gibt es in Form von meinem Portfolio.

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Zukunft. Und warum wir sie uns schön malen sollten.

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Die kann was. Farbe als Strategie.