Intuition. Sagt der Kopf.
“Ich bin ja eher so der Kopfmensch.”
Dieser Satz ist mir in den letzten drei Monaten viermal begegnet und jedes Mal zucke ich zusammen. Was ist denn ein Kopfmensch? Ohne Arme, Beine, Bauch? Ah – KI?! Nein, vor mir saßen Menschen aus Fleisch und Blut.
Kopfmenschen sind im allgemeinen Sprachgebrauch Menschen, die sehr vernünftig, nüchtern und sachlich sind. Sie mögen es nicht, wenn Emotionen eine Rolle spielen sollen. Emotionen sind nicht gut zu kalkulieren und zu kontrollieren. Emotionen haben zwei Rockzipfel, die sie hinter sich herschleifen. “Hysterisch” steht auf dem einen, “verletzlich” steht auf dem anderen. Alles keine Eigenschaften, die für Stärke und Erfolg stehen. Standen.
Denn mittlerweile wird immer deutlicher, dass Stärke und Zukunftssicherheit weit mehr brauchen, als harte Zahlen und logische Argumentationen aus Analysen und Auswertungen heraus. Warum? Weil es unlogisch ist Ambivalenz, Unwägbarkeiten und völlig neue Wechselwirkungen so zu behandeln wie wir das schon vor 10 oder 20 Jahren getan haben. Einfach etwas hochskalieren funktioniert nicht mehr.
Und so quälen sich die Kopfmenschen, wenn es komplex wird, oder nicht berechenbar. Das mögen sie gar nicht.
Auf der anderen Seite zeigt sich in diesen Momenten etwas Ursprüngliches: Neugier. Wenn Kopfmenschen erleben, dass es völlig okay ist auf den eigenen Bauch zu hören, werden sie hellhörig.
Bis sie tatsächlich dieses Gespür wahrnehmen, ernst nehmen und mitnehmen, dauert es lang. Andere Kulturen arbeiten mit ihrer Intuition deutlich stärker und sind dadurch flexibler und anpassungsfähiger als wir in unserem Land.
In Afrika sind mir Menschen begegnet, die ihre Business-Entscheidungen so strategisch angehen wie ein Segler, wenn er die Wetter-Lage scannt. Und keiner verdreht die Augen, wenn Sandsturm oder Regenzeit eine Rolle spielen. Außerhalb von Europa begegnete ich deutlich mehr Menschen, die völlig selbstverständlich auf ihr Gespür geachtet haben, auf die Resonanz mit ihrer Umgebung und auf ihre Intuition.
Mit dieser Erfahrung nehme ich jetzt Institutionen, Unternehmensräume und Orte bewusster wahr. An welchen Orten ist es überhaupt möglich in sich hineinzuhören? In einem Seminarraum, der kühl, Edelstahl-ausgestattet und hoch elektrisch aufgeladen ist? In einem Büro, in dem vor 80 Jahren schon ein Unternehmer saß? In einem fancy Neon-farben-getapeten Co-Working-Space, in dem an jeder Ecke etwas aufploppt?
Das entscheidet jeder Mensch für sich selbst. Wichtig ist, dass wir mit unternehmerischer Verantwortung überhaupt die Tür zur Intuition aufmachen. Dass wir wissen, welche Settings wird schaffen müssen, um methodisch und verlässlich unsere Intuition wahrnehmen zu können.
Das lernen wir leider in der Schule nicht und auch später erhält es nicht die notwendige Ernsthaftigkeit. Am ehesten verspüren wir es am Meer, im Wald, oder an Orten, an denen wir zur Ruhe kommen und über unser Leben nachdenken. Doch damit wird es immer auch gleich groß und schwer. Nachhaltiger, im Sinne des Ressourcenmanagements, ist es allerdings seine Sinne immer bewusst wahrzunehmen und der Intuition im Alltag Raum zu geben.
Wie kommt man da hin? Und welche Relevanz hat das für die Unternehmensführung?
Wann meldet sich die Intuition? Meist bei Entscheidungen.
Selbstverständlich bei großen, lebensverändernden Momenten. Aber auch miniklein im Alltag. Soll ich das Fahrrad nehmen oder den Bus? Sollen wir zusammen zu Mittag essen oder lieber nicht?
In der ersten Phase des Bewusstmachens hilft es schon, in diesen Momenten kurz innezuhalten und zu schauen wie sich Intuition anfühlt.
Level zwei fokussiert sich auf die Reaktionen des Lebens. Der Zug wurde gestrichen, man findet einen 10 Euro-Schein, die Party ist abgesagt, der Schnupfen sorgt für ein Stopp. Hier heißt es “hinhören” – was sagt mir mein System? Welche Chance ergibt sich für mich daraus? Oder welche Botschaft?
Stufe drei bezieht das aktive Nutzen der Intuition mit ein. Bei Entscheidungen wird bewusst darauf geachtet, wie sie sich anfühlen, was sich im Körper tut – Verkrampfung? Anspannung? Oder Lust und Entspannung? Unser Körper weiß oft viel früher als wir, was Sache ist.
Genau diese Zusammenhänge lassen sich auf Ihr Unternehmen übertragen.
Schritt eins – wie tickt das Unternehmen? Welche Art, ja welchen Typ führe ich hier eigentlich? Ist es eher eine Diva, die es schnörkelig und extravagant mag, oder ein alter Dampfer, der nicht wirklich Bock auf sprunghaften Aktionismus hat? Klingt nach Personifikation – yes! Ein fantastisches Mittel um die Perspektive zu wechseln.
Schritt zwei – für eine absehbare Zeit gehen Sie mit der “Typ-Hypothese” durch Ihr Unternehmen und nehmen eine sinnliche Beobachter-Rolle ein. Bestätigen sich Ihre Annahmen?
Schritt drei – wenn Ihr Unternehmen ein Mensch wäre, welches Bauchgefühl würde sich bei der neuen Investition einstellen? Welches Gespür würde es leiten? Wie blickt es auf das neue Jahr? Wo sieht es Chancen und Möglichkeiten, ja gar Potentiale?
Und nun? Nun gehen Sie in den liebevollen Austausch. Was brauchen Sie für Ihre Intuition, was Ihr Unternehmen, damit es sich “rund anfühlt”?
Papalapp – alles wehleidiges Gedöns, so kann man doch kein Business führen? Sagen die, die sich in Management-Sprache verlieren und die kantige Ausrichtung nicht klar benennen können. Oder die, die sich nicht mit ihrer Belegschaft als Einheit fühlen. Manchmal auch die, die nicht wissen, ob sie Weg A oder B einschlagen sollen und die nächsten 10 Jahre voraussehen wollen. Und dann gibt es noch die, denen es schwerfällt Nein zu sagen, abzusagen und bewusst zuzusagen.
Kopfmenschen sind wunderbar. Beim Rechnen, bei der Qualitätssicherung, im Projektmanagement – sie sind wertvoll und notwendig. Doch das Geheimnis liegt tiefer: Kopfmenschen entfalten ihr gesamtes Potential, wenn sie ihrem Bauch zuhören, wenn sie gelernt haben, ein Gespür für sich und ihre Umwelt zu entwickeln. Wenn sie ihr Unternehmen fühlen können. Wenn sie danach immer noch nach den harten Fakten entscheiden – wunderbar!
Was denken Sie darüber? Und was sagt Ihr Bauch?